Elektrische Energie spielt eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft, und diese wird in Zukunft noch wichtiger werden. Neben der Förderung des Ausbaus von Stromerzeugung welche sehr geringe Emissionen hat (Erneuerbare, z.B. Solare Baupflicht) und der Begrenzung von Stromerzeugung welche besonders schädlich ist (internalisierung externer Kosten, z.B. CO₂-Bepreisung) ist es auch wichtig, den vorhandenen Strom fair und sinnvoll zu nutzen. Hier liegen im Strommarktdesign noch einige Probleme.

Am Mittwoch den 11.10.2023 gab es zum Beispiel in Deutschland von ca 11 bis 15 Uhr so viel Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wasserkraft, Wind und Photovolatik, dass der Spotpreis auf 0€ fiel.[1] Der Strom wurde effektiv von den Erzeugern verschenkt. Jeder Industriebetrieb der seinen Strom direkt selbst an der Strombörse kauft, hätte diesen Strom gratis vor Steuern und Abgaben bekommen können. Trotzdem wurde vom Übertragunsnetzbetreiber in Baden-Württemberg im selben Zeitraum angeordnet die Steinkohlekraftwerke in Mannheim und Karlsruhe hochzufahren, sowie zusätzlicher Strom aus Österreich und der Schweiz eingekauft.[2] Da stellt sich unweigerlich die Frage: Warum machen wir sowas, wenn es den Strom doch scheinbar gratis gäbe?

Unser aktuelles Strommarktdesign ist geprägt durch die Liberalisierung des Strommarktes, bei der Verbraucher sich aussuchen dürfen von wem sie ihren Strom beziehen. Die Stromerzeugung (z.B. EnBW) ist getrennt vom Stromtransport (z.B. TransnetBW). Dabei muss gesetzlich geregelt werden wie der entstehende Strommarkt funktioniert. Die Stromerzeugung bestand früher zu großen Teilen aus einer zentralen und fossilen Stromerzeugung, und einige der Annahmen die damals während der Liberalisierung der Stromnetze getroffen wurden sind bis heute gesetzlich festgeschrieben. Insbesondere besteht die Fiktion, dass elektrische Energie beliebig durch das Stromnetz transportiert werden könne: Die Kupferplattenannahme. Die realen physikalischen Begrenzungen werden nur im Nachhinein beachtet, als nachträglicher Fix. Wenn große Mengen Elektrizität von einem Ort an einen anderen Ort gehandelt werden, ohne das das Übertragungsnetz dafür ausreichend ausgebaut ist, so muss dies durch sogenanntes Engpassmanagement wie redispatch- und countertrading-Maßnahmen gelöst werden. Zum Beispiel indem Kohlekraftwerke hochgefahren werden.

Diese Maßnahmen kosten uns sehr viel Geld, alleine im Jahr 2022 ganze 4,2 Milliarden Euro.[3] Seit 2013 haben sich diese Kosten bereits ver-20-facht und es ist davon auszugehen, dass diese Kosten noch weiter steigen. Diese großen Kosten werden auf die Netzentgelte umgelegt und erhöhen so den Strompreis.

Doch wir verbrennen nicht nur Geld, wir verbrennen vor allem Steinkohle und Erdgas. Früher wurde auf der einen Seite ein fossiles Kraftwerk abgeregelt und auf der anderen Seite ein anderes fossiles Kraftwerk hochgeregelt. Heutzutage werden vielmals erneurbare abgeregelt und konventionelle hochgeregelt, denn die Stromerzeugung wird genau dort gekauft, wo wenig günstiger Strom zur Verfügung steht, also keine Photovoltaik und Windenergie, welche sehr geringe Grenzkosten haben. Die Mehremissionen durch unsere aktuelle Regulierung waren laut einer Kurzstudie alleine letztes Jahr etwas über einer Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid.[3]

Um dies zu verhindern, müssen die Regeln so angepasst werden, dass die physikalische Realität besser abgebildet und Kosten fair verteilt werden. Neben der Aufteilung in mehrere Strompreiszonen, gibt es insbesondere das nodal pricing, bei dem alle physikalischen Restriktionen abgebildet sind. Wie in den Whitepapern zum zukünftigen Strommarktdesign des Kopernikus-Projekts SynErgie dargestellt, kann ein erfolgreich konzipiertes Marktdesign mit nodalen Preisen entscheidend zum Gelingen der Energiewende in Deutschland beitragen.[4]

Nodal pricing wäre im Vergleich zu den bisherigen Strompreiszonen auch europäischer, denn zwischen den bisherigen Strompreiszonen (meist Ländern) wäre mehr intereuropäischen Stromhandel möglich als in den aktuellen großen Strompreiszonen. Die Grenzen zwischen Ländern in Europa wären weniger wichtig, wodurch aktuelle Grenzregionen profitieren könnten. Es könnte mehr Stromhandel zwischen den Ländern geben und damit die Liquidität sogar erhöht werden und damit Marktmacht sowie Volatilität gesenkt werden.

Wie groß dieses Problem inzwischen geworden ist, lässt sich an der Entwicklung der App StromGedacht durch die TransnetBW ableiten. Diese wäre so in der Form mit einem nodalen Preissystem nicht nötig, denn das Problem planmäßig überlasteter Leitungen (bzw. Verletzung des N-1 Kriteriums) würde nicht mehr auftreten. Es wäre durch Algorithmen gelöst. Diese Form der Digitalisierung mag zwar keine fancy buzzwords haben, dafür löst sie reale Probleme sehr effizient und kostet fast nichts.

Die Webseite des Kopernikus-Projekts SynErgie hat eine Auflistung einiger häufiger Missverständnisse und Fehleinschätzungen, sowie Erklärungen um diese aufzuklären: [5]

Wir bräuchten nicht nur den Anreiz Strom dann zu verbrauchen wenn viel erneuerbarer Strom da ist, sondern auch dort zu verbrauchen wo der Strom tatsächlich zur Verfügung steht und neue Erzeugungsanlagen dort zu bauen wo der Strom benötigt wird.

Nachtrag: Hier habe ich mal eine Link-Sammlung zu Nodal-Pricing erstellt.